Corona und die Videospiel-Industrie - Was für Auswirkungen hat die Pandemie für Entwickler und Fans

20 Juli 2020, 21:27 Uhr / 0 Kommentare  / von Fabian Roßbach
Corona und die Videospiel-Industrie - Was für Auswirkungen hat die Pandemie für Entwickler und Fans

Die Auswirkungen von Corona auf die Videospiel-Industrie

Die immer noch währende Corona-Pandemie zieht Auswirkungen auf alle Teile des Lebens nach sich. Jeder ist betroffen. Jeder einzelne spürt die Veränderung, die unaufhaltsam zu sein scheint. Auch alle Industrien und Industriezweige sind auf die eine oder andere Weise von der Krise betroffen.

Wir stellen uns die Fragen: Wie steht es um die Videospiel-Industrie? Leidet die Branche ähnlich wie die Filmindustrie? Oder gibt es möglicherweise sogar Vorteile und Chancen für die Entwickler und Fans?

Menschen spielen mehr als je zuvor!

Seit Beginn des Lockdowns im März sind viele Menschen den Großteil der Zeit in ihren eigenen vier Wänden. Viele Firmen, große und kleine, mussten sich um Lösungen für ein reibungsloses Homeoffice kümmern. Gerade in der heutigen Zeit dürfte das so einfach wie nie zuvor in der Geschichte der Menschen sein.

Doch diese Umstellung war nicht die einzige. Kinos, Restaurants und Sportveranstaltungen blieben bis auf Weiteres aus. Was also tun in der freien Zeit?

Die Lösung liegt nahe, auch für Menschen, die bisher vielleicht nicht unbedingt regelmäßig Zeit in virtuellen Welten verbracht haben. Vor allem PC-Spiele sind dank Steam und Co. für jeden in erreichbare Nähe gerückt. Die Lieferung erfolgt in Sekunden und erfordert nicht einmal einen Postboten, geschweige denn ein Paket. Die Internetverbindung zu Hause wird auch immer schneller und die Wartezeit auf ein Spiel dadurch rasant verkürzt. Genau aus diesen Gründen boomt seit Beginn der Krise die Videospiel-Industrie enorm.

Die Umsätze stiegen bereits um 17 Prozent. Quarantäne-Maßnahmen „sei Dank“!

Allein im April 2020 erstellte die Videospiel-Industrie einen Rekordumsatz in der Höhe von 10,5 Milliarden Dollar auf. Und das in den Vereinigten Staaten allein.

Noch ist kein Quartal dermaßen umsatzstark gewesen. Noch nie haben so viele Menschen so viel gezockt.


Wer übrigens dachte, dass Streaming auf einem Rekord-Hoch ist, sollte noch einmal genau auf die Zahlen schauen. Während das Streaming von Filmen und Serien immerhin um 12 Prozent gestiegen ist, konnte man beim Online-Gaming einen Zuwachs von 75 Prozent beobachten.

Aber auch diese Veränderung ist nicht unbedingt überraschend. Wenn der Kontakt zur Außenwelt bis auf Weiteres eingeschränkt ist und Familie und Freunde in scheinbar unerreichbare Ferne rücken, muss man eben innovativ werden und auf andere Weisen den Kontakt und die Freundschaften pflegen.

Die WHO empfiehlt Video-Spiele

Wer hätte das gedacht? Der ein oder andere hat vielleicht das Gegenteil vermutet. Doch die Weltgesundheitsorganisation rät den Menschen tatsächlich Videospiele zu spielen. Gaming soll also sogar gesundheitsfördernd sein? Ganz so einfach ist es dann doch nicht. Der WHO geht es nämlich vor allem darum, dass einzelne Personen durch die Abschottung zur Außenwelt nicht psychisch erkranken.

Aus diesem Grund hat die WHO #PlayApartTogether gestartet. Das ist eine Kampagne, die Menschen auffordert online mit anderen Menschen zu spielen und so in Verbindung zu bleiben. Denn wenn Brettspiele und Filmabende nicht in Frage kommen, gibt es ja immer noch die Möglichkeit sich virtuell zu begegnen.

Die Kampagne, die auch Entwickler wie Activision Blizzard oder Riot Games unterstützen lockte Gamer durch günstige Angebote und Rabatte. Sie ließen sich nicht zweimal bitten und der Ansturm auf Spiele begann.

Doch im gleichen Zuge der Aktion ermahnt die WHO Spieler und rät zur Vorsicht. Erst im vergangenen Jahr wurde Spielsucht in die ICD 11, die Internationale Klassifikation der Krankheiten aufgenommen.

Sollte das Spielverhalten dazu führen, dass der Kontakt zu Freunden und Familie nicht nur vernachlässigt, sondern auch abgebrochen wird, spricht die WHO von Spielsucht. Hinzu kommt die Vernachlässigung andere Lebensaspekte, wie beispielsweise die Körperpflege.
Gaming kann also ein wunderbarer Rückzugsort sein und in Zeiten der Krise den Kontakt zu Freunden und Familie aufrechterhalten und stärken. Doch zeitgleich sollte jeder einzelne auf sich selbst Acht geben und das reale Leben nicht aus den Augen verlieren.

Games in der Entwicklungsphase

Ähnlich wie es bei Filmproduktionen bis vor kurzem noch der Fall war, wurden auch die meisten Studios geschlossen. Doch zu einem kompletten Stop kam es in der Videospiel-Industrie glücklicherweise nicht. Denn dank gezielter Lösungen klappt schon einiges von zu Hause aus. Vor allem die Aspekte Story-Entwicklung, das Design und das Komponieren eines Soundtracks funktionieren auch im Homeoffice.

Leider ist ein reibungsloser Ablauf auf diesem Wege dann aber doch nicht machbar.

Denn Heimrechner kommen schnell an ihre Grenzen. Zudem fehlt ein gut ausgebautes Netzwerk, wie es im Studio üblich ist. Das Rendern und Arbeiten mit hochauflösenden Inhalten wird im Homeoffice also zum Problem.

Dass die Mitarbeiter nicht auf einen großen Server zugreifen können, führt wiederum zu anderen Problemen. Die Sicherheit kann auf diesem Weg nicht mehr gewährleistet werden.

Automatische Backups und ein ausgeklügeltes System, wie es bei professionellen Server-Systemen der Fall ist, fehlt ganz einfach im Homeoffice. Hunderte Mitarbeiter haben zudem einzelne Informationen auf ihren Heimrechnern liegen, die nur noch gelegentlich zusammengetragen werden. So wird das ganze zusätzlich für Piraterie anfällig.

Wenn Codes auf dem Schreibtisch liegen und die Firewall leichter umgangen werden kann, sind die Games alles andere als sicher.
Für die Entwicklung von Konsolenspielen gibt es sogenannte Testkonsolen. Dafür haben die Studios ganz bestimmte Regeln und Vorgaben.

Keine Testkonsole darf das Unternehmen jemals verlassen und muss jeden Abend in einem Tresor eingeschlossen werden.
Außergewöhnliche Situationen erfordern jedoch außergewöhnliche Maßnahmen und da müssen die Mitarbeiter solche Konsolen und die sich in der Entwicklung befindenden Spiele mit nach Hause nehmen. Auch diese Vorgehensweise gibt Raum für Fehler.

Aber die ständige Verschiebung des Starttermins ist frustrierend und die Macher, sowie die Gamer haben eben eine Leidenschaft: atemberaubende Videospiele!

Müssen wir mit einem Qualitätsverlust bei neuen Spiele rechnen?

Zwar ist die Industrie nicht gänzlich lahmgelegt, doch die Umstellung sämtlicher Arbeitsabläufe macht die Sache wesentlich komplizierter. Allein die Kommunikation unter den Mitarbeitern kostet Zeit und ist nicht immer effektiv. Auch wenn der Ablauf im Großen und Ganzen gut zu laufen scheint, sind es oft die Kleinigkeiten, die letztendlich darüber entscheiden, ob ein Spiel wirklich gut gelungen oder gerade mal gut ist.

Es bleibt also abzuwarten, welche heißersehnten Games die Erwartungen der Spieler erfüllen und welche in der Versenkung verschwinden werden.

Wie steht es um die Konsolenhersteller?

Dass bereits bestehende Spiel gekauft werden ist keine Frage. Aber wie sieht es mit den kommenden Konsolen aus? Sony kündigte die Playstation 5 für Dezember 2020 an. Auch Konkurrent Microsoft wollte noch dieses Jahr die Xbox Series X auf den Markt bringen.

Doch wie stehen die tatsächlichen Chancen für die neuen Konsolen? Wird es eine ausreichende Anzahl an Geräten geben, um all die Gamer zu versorgen?

Sowohl Lieferschwierigkeiten bei der Hardware, als auch bei den Peripherie-Geräten führen jetzt schon zu Verzögerungen. Und selbst wenn die Konsolen in ausreichender Menge und rechtzeitig gebaut werden können, gibt es leider keinen Weihnachtsmann, der die Welt innerhalb einer Nacht beliefern kann. Landesgrenzen müssen geöffnet und ausreichend Personal vorhanden sein, um die zeitige Lieferung gewährleisten zu können.

Es bleibt also abzuwarten, wann wir tatsächlich die Playstation 5 und Xbox Series X in unseren Händen halten werden.

Was war mit der Gamescom?

Die Messe in Köln ist seit Jahren die größte, wenn es um Videospiele geht.

Über 370.000 Besucher gehen jedes Jahr auf die Gamescom und können es kaum erwarten neue Games auszutesten und fiebern den Ankündigungen der Entwickler entgegen.

1.100 Aussteller belegen jährlich die Messehallen in Köln und sorgen für jede Menge Unterhaltung.

Doch wie befürchtet fand die Gamescom nicht statt. Zumindest nicht in dieser Form. Wie schon andere Messen wurde die Gamescom auf rein digitale Weise celebriert.

Der innovative Mittelweg zeigt einerseits, wie erfinderisch die Branche und wie unaufhaltsam die Leidenschaft der Fans und der Studios ist. Andererseits bleibt es ein Kompromiss, das mit herben Verlusten einhergeht.

Und vor Ort zu sein und die Begeisterung und die Elektrizität in der Luft zu spüren ist eben doch etwas ganz anderes.

Wer sind die Verlierer der Krise?

Große Firmen, die bereits dutzende und vor allem beliebte Spiele in ihrem Repertoire haben, sind die klaren Gewinner der Krise. Aber gerade kleine Unternehmen mit wenigen Angestellten haben seit Beginn 2020 enorm zu kämpfen. Die Produktion neuer Games stockt und Spiele, die schon auf dem Markt sind, haben vielleicht das Problem nicht bekannt und beliebt genug zu sein, um den nötigen Umsatz zu machen.

Richtig hart trifft es aber Start-ups. Sie mögen geniale und neue Ideen haben, aber können noch nichts vorweisen. Finanzgeber halten sich zurück und die Entwicklung der Spiele liegt erst einmal auf Eis.

Leider können sich wie in allen Branchen hier nur die ganz großen Unternehmen behaupten.

Was geschieht nach der Krise?

Noch ist unklar, wie lange die Welt noch dieser Ausnahmesituation ausgesetzt ist.
Wir hoffen natürlich, dass es bald wieder aufwärtsgehen wird, können aber nicht in die Zukunft sehen.
Gelegenheitsspieler, die nach der Krise wieder weniger zu Hause sind, werden auch weniger spielen. Im Gegenzug dazu werden Spiele, deren Veröffentlichung verschoben wurde, auf den Markt kommen und ihn kräftig aufmischen. Lange haben Fans gewartet. Sie werden Schlange stehen und jeder wird der erste sein wollen, der das lang ersehnte Spiel in den Händen hält.

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